Wenn man mit einem Segelflugzeug zu einem
Streckenflug startet, weiß man nie genau, ob man die geplante Strecke schafft
und den geplanten Landeort auch erreicht. Um einen längeren oder weiteren Flug
machen zu können, muss ein Segelflugzeug immer wieder "auftanken" und
in einer Thermik (im Fliegerjargon "Bart" genannt) oder mit
dynamischen Wind Höhe machen. Die Kunst besteht darin die "Bärte" zu
finden, denn Luft ist unsichtbar, und optimal auszunutzen.
Ein längerer Segelflug ist also ein stetiges abgleiten
und hinaufkreisen. Und wenn man immer gezielt in eine bestimmte Richtung
abgleitet, dann kann man sehr große Strecken zurücklegen. Die weiteste in einem Segelflugzeug geflogene
Strecke liegt bei 3.000 km, die größte Höhe bei über 15.400 m.
Die Fluggeschwindigkeit ist relativ (Geschwindigkeitsspektrum 70 - 250 km/h), denn große Strecken werden nicht immer mit
hohen Geschwindigkeiten geflogen. Denn
je schneller man fliegt, desto mehr sinkt man auch, und desto öfter muss man
ein Aufwindfeld finden.
Die Kunst des Streckensegelfluges besteht darin, das
Wetter richtig zu beurteilen und die daraus gezogenen Schlüsse sicher in die
Tat umzusetzen. Wo ist die beste Thermik zu
erwarten? Wie schnell fliege ich zum nächsten Bart? Welchen Weg nehme ich
dorthin? Wettereinschätzung, fliegerisches Können und taktische
Überlegungen sind meistens viel wichtiger, als die Flugleistung des
Flugzeugs.
Die Leistung ist die Gleitzahl.
Es ist das Verhältnis der
Distanz zur Höhe welche abgeglitten werden kann. Ein klassisches Schulungsflugzeug hat eine Gleitzahl von 28-30,
mit sehr gutmütigen Flugeigenschaften,
während die
besten Segelflugzeuge (30mt Spannweite) eine Gleitzahl von über 60 haben. Das bedeutet dass man
theoretisch mit 1.000 mt 60 Km weit fliegen kann. Das doppelsitzige
Segelflugzeug Calif A21S (nebenstehendes Bild) hat z.B.: eine Gleitzahl von
43
Von Bozen aus wurden schon Strecken bis nahe Wien; Rom und bis in die
französichen Südalpen gemacht.
Die klassischen "Rennstrecken" bleiben jedoch in Richtung Osten durch das
Pustertal dann entweder ins Gailtal nach Nötsch und auch weiter, oder längs
des Alpenhauptkammes über Lienz, Mauterndorf, Turnau bis nahe Wiener Neustadt.
Während in Richtung Westen über Tonale, Veltlintal, Comosee, Lago Maggiore und auch über Domodossola
hinaus zum Matterhorn geflogen wird.
Ändert sich unvorhergesehen das Wetter in einem Streckenteil, und findet ein Segelflieger keine Thermik
mehr, ist er gezwungen zu landen, sobald er seine Höhe abgeglitten hat. Eine falsche
Taktik oder der falsche Flugweg haben auch schon oft einen Flug früher enden
lassen, als es erwünscht war. Beim Streckensegelflug sind das die Risiken die man in
Kauf nehmen muss. Natürlich muss der Flug so
gemacht werden,
dass immer ein sicheres Landefeld erreicht werden sollte.
Wir von Bozen bzw. Südtirol haben leider sehr wenig Außenlandemöglichkeiten:
von Meran oder Brixen nach Bozen ist gar keine Möglichkeit. Da hilft nur
sicheres Fliegen in ausreichender Höhe. Abwinde können Haarsträubende Werte erreichen und bringt so manchen
Segelflugpilot ins Schwitzen. Da wird die Gleitzahl zur Theorie. Hat man von
Meran kommend den Pflichtmeldepunkt "Oscar" für den Anflug
auf Bozen-Airport erreicht, so kann man vielleicht auch ein bischen tiefer sein
als hier simuliert.
Im Norden haben wir als Sicherheit den Segelflugplatz Sterzing
und das Pustertal ist auch außenlandefreundlicher als das Vinschgau-Tal.
Steht man dann in einer Wiese, braucht man
ein Team, das mit einem speziellen Anhänger (ca. 9-10 mt lang) zum Landeort fährt um das
Segelflugzeug, das mit wenigen Handgriffen abmontiert wird, dann wieder nach
Hause zu fahren. Je nachdem
wie weit man gekommen ist, hat man dann einige Stunden Zeit, über seine
Fehler nachzudenken, oder die Schuld einfach auf das zu schlechte Wetter
zu schieben. Ganz übel ist es dann, wenn man die anderen
Wettbewerbsteilnehmer in großer Höhe über seinen Landeacker fliegen
sieht...
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